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Tuppern auf der Niers

Tuppern auf der Niers

Paddel und Pokale: Die Kanu-Abteilung des SSV Rheydt gibt Einblick in eine Ganzjahres-Sportart, bei der man vor allem eines lernt — das Durchhalten.

Nele Giert hat für jeden etwas Aufmunterndes parat. Die 17-Jährige hat sich auf der Brücke postiert und gibt den Kanuten ihre Zeiten mit auf den Weg die Niers entlang. "Das hat schon was, mit Stoppuhr hier oben stehen und anfeuern", lächelt sie. Nele kennt auch die andere Seite, hat in ihrer aktiven Zeit in der Rennabteilung zahlreiche Titel für den SSV Rheydt eingefahren und ist heute als Co-Trainerin an der Seite des 1. Trainers Jonas Waschk tätig. "Ich bin übers Schwimmen ins Boot gekommen, hatte Lust zum Paddeln und bin dabei geblieben." Wie Nele bedauert Freundin Marie, ebenfalls 17, die 'derzeit praktisch mädchenlose' Phase bei den Rheydter Kanuten — beide wissen auch, woran es hapert: "Mädchen kapitulieren schneller, deshalb macht es Sinn, wenn sie zu zweit oder dritt anfangen, das schweißt zusammen."
"Kanu fahren ist quasi ein Ganzjahressport", erklären Anke Winkler und Josef Huberts. "Aber jetzt macht es natürlich besonders viel Spaß — und sieht ja auch schön aus!", freuen sie sich über das bunte Bild auf dem Wasser. Mit der Niers als 'Hausfluss' sei man schon zufrieden — "Klar, Wildwasserslalom geht hier nicht", schmunzelt Josef Huberts, "aber die Niers ist gut für die Kondition. Es geht schließlich um die kürzeste Zeit. Und ums Durchhalten." Schiff- beziehungsweise 'bootbar' ist die Niers das ganze Jahr — "Und komplett sicher", weiß Anke Winkler. "Okay, es gibt ordentlich Modder!", lacht die Vorsitzende der Rennabteilung. "Eben ein richtiger Naturfluss... leider fließt von den Baustellen oft Öl rein."
Eins steht fest: In der Niers kann man stehen... "Die Gefahr des Ertrinkens ist auf jeden Fall geringer als die, sich eine Erkältung zu holen", lacht Anke Winkler, deren 13-jähriger Sohn Moritz seit vier Jahren zum ebenso begeisterten wie aussichtsreichen Vereins-Nachwuchs gehört. Ins Boot — oder in die 'Tupperware', wie die Kanuten ihre Fahrzeuge ob ihrer Rundum-Kunststoff-Konsistenz liebevoll nennen — darf jeder, der zuvor im Schwimmbecken die nötige Technik und Sicherheit erlangt hat. "Das wird trainiert, bis es sitzt", sagt Josef Huberts. "Jeder soll sich selber 'rumrollen können. Und zeigen, dass er unter Wasser aussteigen kann."

Ans Nasswerden — trotz der so genannten Spritzdecke — gewöhne man sich, grinst Moritz, dem die Vereinskollegen zudem einen 'super entwickelten Gleichgewichtssinn' bescheinigen: "Beim Paddeln sehr wichtig." Wirklich schwierig sei das Steuern des Kanus nicht, ist zu erfahren, allerdings "Am Anfang haut es einen gern in die Uferböschung", erinnert sich Anke Winkler vergnügt. "Das Geradeaus-Fahren hat so seine Tücken."
'Tuppern' auf der Niers um möglichst schnelle Zeiten ist die eine, 'Wandern' mit dem Boot die andere Seite: "Kaum eine andere Sportart bietet die Möglichkeit, sich so unmittelbar in der Natur zu bewegen", meint Josef Huberts, gerne mit Ehefrau im zweisitzigen Bootsmodell in Schweden unterwegs. "In dem kann man noch ordentlich Gepäck mitnehmen!", ist er zufrieden und empfiehlt eine Mitgliedschaft im Deutschen-Kanu-Verband (DKV): "Da kann man von Bootshaus zu Bootshaus fahren und da übernachten — billiger Urlaub machen geht nicht!" À propos: Das vereinseigene Bootshaus im Gebäude der Sporthalle Backeshof ist der ganze Stolz der Kanuten. "Super zum Feiern, um unsere Pokale aufzustellen, und eine Werkstatt haben wir hier auch", freuen sich Anke Winkler und Josef Huberts. Ganz zu schweigen von den eingelagerte Booten: Neben der schnittig langgestreckten Tupperware ("Lange Nase ist cool derzeit") findet sich die 'Lady in Weiß' mit integriertem Aufbewahrungsfach, seetauglich gemacht dank Salzwasserhaut: "Na klar gibt's auch welche fürs Meer!" Die Boote halten ewig, wissen die Experten — "Es sei denn, man schreddert sie in der Wildwasserschlucht."
"Bei uns wird immer viel geguckt", lächelt Anke Winkler und betont: "Wir sind kein teurer Verein." Über Sponsoren freuen sich die Kanuten: "Damit wir weiterhin viele Kids in die Boote holen können." Was umso mehr Sinn macht, weil Paddeln 'was fürs Leben' ist: "Unser Ältester, der Hans, ist 80 und fährt noch Langstrecke. Letztes Jahr war er drei Monate am Stück unterwegs." Ideales Einstiegsalter: Ab acht Jahre. (sw)