1 000 Jahre Sitzgymnastik...

1 000 Jahre Sitzgymnastik...

... und sogar noch ein paar mehr: In Christel Schneiders Sportgruppe kommen Lebenserfahrung und Spaß an der Bewegung zusammen – rund um den Stuhl und mit Doppelklöppel.

„Nett zulächeln und werfen. Wer nicht guckt, spielt nicht mit!“ Christel Schneiders Ansage macht schnell klar: In der Sitzgymnastikgruppe der Seniorenakademie der AWO geht es nicht nur um den sportlichen Aspekt – mindestens genauso wichtig ist das Miteinander. „Das funktioniert über den Kontakt zu den Nachbarinnen links und rechts und den Damen gegenüber“, weiß die Kursleiterin, während in der Runde unter fröhlichem Zurufen der Ball fliegt.

Dreizehn Stühle, dreizehn Damen – „wir trainieren nur im Sitzen“, sagt Christel Schneider. Und dazu fällt der Fachsportlehrerin eine Menge ein, wie der schnelle Wechsel der Übungen und Sportgeräte zeigt. Als nächstes ist der Doppelklöppel dran: „Ein ganz altes Gerät“, erklärt Christel Schneider den Stab mit je einer Kugel am Ende, der einer Mini-Hantel ähnelt. „Einfach nur durchgeben, von einer zur nächsten – grün in die eine, blau in die andere Richtung.“ Umgehend wird es still in der Runde: „Hier ist Konzentration gefragt“, lächelt Christel Schneider. „Es klappt nicht, wenn man dabei plappert. Na, schafft ihr noch ’ne Runde?“, möchte sie wissen. „Die kommen ja von allen Seiten!“, beschweren sich Annemarie und Marlies lachend. „Jede immer nur so weit, wie sie es kann!“, erinnert Christel Schneider ihre sportive Schar, deren Gesamtalter sie aktuell auf 1.082 Jahre errechnet hat: „Lebenserfahrung, das passt besser als Alter“, meint sie beim Blick in den gut gelaunten Kreis.

Uschi ist mit 62 das Nesthäkchen, Alterspräsidentin Irmgard ist 88, die fröhliche Luise 85 Jahre alt. Charlotte ist neu dabei, Gerdamarie quasi von der Reha nach einer Knieoperation direkt wieder zur Gymnastik gekommen: „Die Übungen vom Kurs sind auch gut für zu Hause“, hat sie festgestellt. „Christel überfordert uns nicht, denn in unserem Alter kann man nichts mehr reißen“, wird die Kursleiterin allgemein aufgrund ihrer Einfühlsamkeit gelobt. Die Sportlehrerin und Entspannungstrainerin wiederum weiß den Elan der Damen zu schätzen: „Da denkt man sich gern immer wieder neue Sachen aus.“ Zum Repertoire gehören die beliebten ’Gewinnspiele ohne Preis’, bei denen mit immer kleiner werdenden Bällen Gruppe 1 gegen Gruppe 2 auf einen Korb zielt oder mit einem Riesenwürfel – möglichst hoch in die Luft geworfen – um die höchste Augenzahl wetteifert wird. Christel Schneider achtet darauf, dass sich Elemente „für den Kopp“ und solche für die Beweglichkeit abwechseln. „Achtung, nicht die Nachbarin hauen!“, ermahnt sie schmunzelnd bei der Übung für die Schulterblätter. „Und jetzt wieder was für unsere beiden Gehirnhälften: Die rechte Hand klopft das Knie, die linke schiebt auf dem Oberschenkel rauf und runter...“ Bis man das könne, weiß die Expertin, dauere es Wochen: „Die haben geübt!“, freut sie sich. Ohne den Stuhl ein einziges Mal verlassen zu haben, sind die Damen nach der Gymnastikstunde doppelt trainiert: „Körperlich wie menschlich. Hier kann man sich geben wie man ist, denn Zipperlein hat jede von uns“, resümieren die Kursteilnehmerinnen.

Mit einer Entspannungseinheit schließt jede Stunde ab. Sitzgymnastik, betont sie, wende sich ganz explizit auch an Sportanfänger. „Und“, lächelt sie, „ist nicht nur was für Frauen.“

(StadtSpiegel)