Sahnetorte mit Ausblick ... und Geschichten

Sahnetorte mit Ausblick ... und Geschichten

Nach über drei Jahrzehnten schloss die Traditions-Konditorei Klinkenberg in Odenkirchen am Jahresende die Tür. Nicht nur das Ehepaar Klinkenberg ist traurig, vor allem auch die Stammkundschaft.

. Am späten Nachmittag des elften Januar 2016 ist in Odenkirchen City etwas zu beobachten: Vor der Konditorei Klinkenberg ist ein Container platziert. Gerd Klinkenberg steht mit seinem Enkel Frederic Heling auf der obersten Stufe des Eingangs und wartet und wartet und wartet. Er und sein Enkel warten auf die Abholung des Containers, denn heute soll alles raus. Passanten bleiben stehen, können es scheinbar noch nicht richtig glauben. Das Café Klinkenberg hat zugemacht. Viele Passanten bleiben stehen, schütteln Gerd Klinkenberg die Hand, sagen freundliche verständnisvolle Worte des des Abschieds. Odenkirchen trauert.

Die Zeit des Wartens auf die Abholung des Containers wird genutzt und Gerd Klinkenberg beantwortet gerne die ein oder andere Frage im Rückblick auf eine geschäftige und gesellige Zeit.

Stadt Spiegel: Wir lange haben sie die Konditorei geführt?

Gerd Klinkenberg: 32 Jahre! (wie aus der Pistole geschossen)

Hatten Sie viele Stammkunden?

Ja, in rauen Mengen!

Der 19-jährige Enkel Frederik Heling: Die Kunden sagten sogar den Satz: „Da geht ein Stück Kultur verloren.“

Was war Ihr persönlicher Lieblingskuchen Herr Klinkenberg?

Ich habe am allerliebsten Käsetorte, aber auch Apfeltorte gebacken. Aber der Favorit unserer Kunden war die Sahnetorte. Ich weiß auch nicht, warum.

Und was war das Lieblingsbrot?

Wir hatten kein Brot!! ( schon fast entrüstet). Wir waren eine Konditorei, keine Bäckerei! Hier gab es nur die feinen süßen Sachen, die nur ein Konditor herstellt. Ich habe mich schon als junger Mann immer geärgert, wenn ich während meiner Ausbildungszeit als „Bäckerbursche“ bezeichnet wurde, denn ich wollte ein Konditor werden!

War Ihr Café im Sommer und Winter gleich stark besucht?

Nein. Der Sommer war eine tödliche Zeit! Der Winter lief immer viel besser. Vielleicht liegt es daran, dass sich im Sommer mehr draußen abspielt und die Leute eher ein Eis essen.

Aber im Herbst und Winter war es oben mit dem Ausblick über den Stadtkern von Odenkirchen sehr gemütlich?

Ja. Die Leute blieben lange sitzen, oft einige Stunden.

Mussten Sie schon einmal jemanden hinaus bitten?

  • Kutscherin Nadine Kuschka, Planwagen-Besitzer Karl-Josef Groß,
    Planwagentour durchs Liedberger Land : Hoch auf dem gelben Wagen
  • Der Hariksee lädt zum Verweilen ein⇥Foto:
    Radroute des Monats : In die Nachbarschaft radeln
  • Abteilungsleiter Mario Scho vom HPZ (l.)
    Freude von Kanew : Die Hilfswelle rollt weiter

Nein, soweit ist es dann doch nie gekommen.

Wie schließen sie die Lücke, die jetzt für Sie entsteht?

Mein Sohn hat in Erkelenz ein Café am Markt. Dort werde ich auslaufend einen Tag in der Woche mithelfen.

Ist Ihre Frau genauso traurig wie Sie?

Sie sagt zwar „Nein“, aber sie ist gar nicht froh.

Können Sie sich an lustige Geschichten erinnern, die Sie hier im Laufe der Jahre gehört haben?

Ja, tatsächlich! Eine fällt mir gerade ein, über die wir lange Jahre gelacht haben. Früher hatten wir hier unten einen Stehtisch, der immer besetzt war, meist mit Frauen. Es muss Anfang der Neunziger gewesen sein. Es war ein sehr geselliger Nachmittag. An diesem Tag gesellte sich ein Mann aus Wanlo zu der Damenrunde und erzählte seine Geschichte. Er war nach dem Krieg arbeitslos, hatte aber nichts gelernt und suchte Arbeit. Er erzählte, dass er damals nicht so recht wusste, was er machen sollte, hatte aber die Idee, Lkw- Fahrer zu werden. Wir fragten ihn, ob er denn einen Führerschein gehabt hätte. Er antwortete: Nein. Er hatte die Empfehlung für eine Fahrschule in Mönchengladbach bekommen, begab sich dort hin und erkundigte sich nach einem Lkw-Führerschein. Die Fahrschule hatte aber leider keinen Lkw zur Verfügung mit dem er seine Fahrstunden hätte machen können. Weil er aber nicht locker lies, beschloss man ein uraltes Exemplar, ein Wrack aus dem zweiten Weltkrieg, aus dem Schuppen zu holen, so dass er damit seine Prüfung machen könne. Er solle damit fünf Zentner Kohlen - es war ein lausig kalter Winter - von der Fahrschule zur Firma Pistel transportieren. Der Tag der Prüfung kam, der Fahrprüfer, Herr Pistel und der Fahrlehrer stiegen ein und es ging durch Gladbach-City. Der Kunde erzählte, dass man im Fahrerraum bis auf den Straßenboden durchgucken konnte, da das Bodenblech fehlte. Dann ging es bergab, denn Möchengladbach hat bekanntlich steile Strecken. Doch während der Bergabfahrt merkte der Fahrprüfling, dass die Bremsen versagten und dann noch die Kohlen hinten drauf... Es ging also in rasanter Geschwindigkeit den Berg hinunter! Aber letztendlich, mit viel Glück und Geschick, konnte er am Ende den Lkw irgendwie anhalten. Der Fahrprüfer hatte die Gesichtsfarbe verloren, gab aber dem Wanloer den Führerschein in die Hand und verschwand ohne ein Wort. Der Fahrlehrer hatte dem Prüfer zwar angeboten, ihn wieder den Berg hinaufzufahren, aber er verzichtete. ( Gerd Klinkenberg schmunzelt, lacht beseelt in sich hinein, scheinbar eine schöne Erinnerung )

Vielen Dank für das Gespräch.

(StadtSpiegel)