Drama Babys! Wer holt euch?

Drama Babys! Wer holt euch?

Eigentlich ist es eine erfreuliche Entwicklung: Seit 2011 steigt in Mönchengladbach kontinuierlich die Zahl der Geburten. 2 602 waren es im letzten Jahr. Weniger schön ist, was eine Analyse der AOK bezüglich der Versorgungssituation rund um die Schwangerschaft und Geburt für Mönchengladbach zeigt: Es gibt zu wenig Hebammen im Verhältnis zu den Geburten.

AOK-Regionaldirektor Heinz Frohn nennt es "ein hochemotionales Thema". Tatsächlich kann man die Situation "dramatisch" nennen, denn hier geht es um eine erhebliche Unterversorgung. Und jede Mutter weiß, wie wichtig die Begleitung von Schwangerschaft, Geburt und den ersten Wochen mit dem Baby durch eine Hebamme ist. Es ist nicht nur der Geburtsvorbereitungskurs, sondern der Beistand, Zuspruch, Rat der Hebamme, den die Schwangere braucht, wenn Beschwerden auftreten, Fragen, Ängste aufkommen.

Apropos Ängste. Die konkreten Zahlen für Mönchengladbach sind beängstigend. 33 Hebammen haben in Gladbach im Laufe der letzten Jahre bei der AOK abgerechnet. Auf eine Hebamme kommen jährlich 71 Geburten. Zum Vergleich: In Aachen sind es lediglich 27!

Zu viele Schwangere für so wenig Hebammen — dass das nicht funktionieren kann, ist klar. "Wir müssen bestimmt etwa 15 Frauen pro Monat absagen", bedauert Hebamme Melanie Richert und fügt hinzu: "Manche Frauen sind am Telefon echt verzweifelt. In den Sommerferien und um Weihnachten/Neujahr herum ist es besonders schwierig, da auch wir mal Urlaub machen müssen."
Noch etwas trägt zur Schieflage in der Versorgung bei, wie die Zahlen der AOK belegen: Immer weniger Frauen in Gladbach nehmen die Hebammenleistungen überhaupt an, auf die sie Anspruch haben. So wird die "aufsuchende Wochenbettbetreuung” von nur 38,7 Prozent der Mütter wahrgenommen — dabei ist sie immens wichtig für die gesunde Entwicklung des Kindes. Da die Inanspruchnahme auch immer eine Frage des Bildungsstandes ist, sieht die AOK einen wichtigen Lösungsansatz darin, die Gesundheitskompetenz der Menschen zu stärken, schon in der Schule.
Aufklärung ist das Stichwort. Doch was nutzt die, wenn es weiter zu wenig Hebammen gibt? Hier müsste erst einmal ganz viel passieren. Und dass es zu wenig Hebammen gibt, ist kein lokales Problem, sondern ein bundesweites. Ebenso wie die Ursachen. Ein Großteil der Hebammen arbeitet in Teilzeit, die Arbeitsbedingungen sind schlecht, die Haftpflichtversicherung für freiberufliche gestiegen. Der Verdienst zu gering. Melanie Riechert: "Für die 38 Euro, die wir für einen Besuch am Wochenbett bekommen, würde sich kein Handwerker ins Auto setzen!" Aber kann die AOK Niederrhein/Hamburg da was bewegen?
Heinz Frohn jedenfalls verspricht: "Daran arbeiten wir" und kündigt für Oktober eine Gesundheitskonferenz an, auf der Wege gefunden werden sollen, die Lage zu verbessern. Dörte Schall, städtische Beigeordnete für Recht, Soziales, Jugend, Gesundheit und Verbraucherschutz sowie Kommunalpolitiker, Ärzte und Leistungserbringer werden daran teilnehmen, so Frohn, und die AOK sei bereit, ihr Budget zu erhöhen.
Fakt ist: Es muss etwas passieren, und zwar bald. Denn Kinder "passieren" und lassen sich nicht Jahre vorher anmelden. Melanie Riechert: "Ich scherze gerne mal darüber, dass wir uns bald in einem Bereich befinden, in dem die Paare ihre Hebamme noch vor dem Geschlechtsverkehr anrufen und fragen: Hättest du da Zeit, wenn es klappt? Ich hoffe sehr, dass es bei einem Scherz bleibt!"

Kontakt: www.hebammen-mg-vie.de — Hebammenliste für MG und Viersen — mit Telefonnummer, Angabe, welche Sprache die Hebamme spricht, und wann Kapazitäten frei sind.

(StadtSpiegel)