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„Platt“ lernen mal anders

„Platt“ lernen mal anders

Sie unterhalten sich in Hochdeutsch, sprechen teilweise hervorragend Englisch und Französisch – und nun wollen vier echte „Landkinder“ auch noch eine vierte Sprache dazulernen, nämlich „Platt“.

Ramona, Florian, Tamara und David nehmen „Unterricht“ bei den Alteingesessenen ihres Heimatortes, damit sie den Dialekt besser verstehen und sprechen lernen. Und: „Damöt osser Platt net verloere jeht !“

Es war eine Schnapsidee, die auf einer feuchtfröhlichen Gartenparty entstand. Zu fortgeschrittener Stunde – und ein paar Gläschen intus – versuchten sich vier junge Leute mit gelockerter Zunge an der Sprache, die nicht selten noch in ihren Elternhäusern gesprochen wird, spätestens aber immer dann, wenn Opa und Oma zum „Vertell“ kommen.

„Mein Opa hat immer Platt mit mir gesprochen“, erinnert sich Tamara Rommerskirchen noch gut an ihren verstorbenen Großvater. Leider habe sie oftmals nur bruchstückhaft etwas verstanden. „Zum Abschied sagte er immer ,Lott jonn’, da wusste ich, was gemeint ist.“ Auch Ramona Irmen und ihr Bruder Florian müssen bis heute sehr genau zuhören, wenn ihr Opa Heinz zu Besuch ist. Der rüstige Senior wohnt jetzt zwar nicht mehr im Dorf Merreter, sondern in einem Nachbarsort, gehört aber auch zum „Lehrerstab“ der jungen Leute. Heinz Irmen hat in seinem ganzen Leben fast nur Platt gesprochen und ist somit ein echter Experte. Gerne lernt er gemeinsam mit den ebenfalls erfahrenen „Platt-Sprechern“ Wolfgang Schlemmer, Burkhard Irmen, Maritta Ketels und Josef Hastenrath die jungen Leute in Sachen Heimatdialekt an. Ausdrücke wie Blötsch (Beule), Ketsch (Kern) und Soo (Wassergraben), Mähllänger (Schwarzdrossel) und Quecker (Frosch) gehören zum Stundenplan.

Bei solchen Platt-Vokabeln standen den „Schülern“ schon am ersten Abend die Fragezeichen auf der Stirn geschrieben. „Ich weiß aber, was en Jeet ist“, platzte es spontan aus David Rütten heraus: „En Zick ess och en Jeet“. (Übersetzung: Für eine Ziege sagt man im hiesigen Plattdeutschen auch „Jeet“.) „Richtig!“, lobte das selbsternannte „Lehrer-Kollegium“ – und trug zur ersten Lektion auch noch einige lustige Geschichten „uut de alde Tied“ bei. Josef Hastenrath unterhielt mit „Selbstgedichtetem“. Allerdings bedurften diese poetischen Reime einer Übersetzung ins Hochdeutsche. Noch! Denn das soll sich in nächster Zeit ändern, da sich die jungen Leute fest vorgenommen haben, dem Platt einem festen Platz in ihrem Leben einzuräumen.

„In unserem Freundes- und Bekanntenkreis wird nur ganz selten Dialekt gesprochen und wenn, dann nur ein paar Brocken“, sagt Ramona Irmen, die es, wie alle anderen auch, sehr schade findet, dass Plattdeutsch nicht mehr „gesellschaftsfähig“ ist. Und auch die Alteingesessenen sind sich darin einig, „dat osser urije Sprook net verloere jonn dörf“. Inzwischen haben sich noch weitere junge Dorfbewohner zum „Unterricht“ angemeldet und sehen der nächsten Lektion schon mit Freude entgegen. Bis aber der Nachwuchs den Dialekt so richtig beherrscht, „wöt noch völl Water dur de Soo loope“.

(Report Anzeigenblatt)